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Spannend bis zum Schluss war der Fight von Roman Fress gegen seinen Herausforderer Luca D'Ortenzi. Wer den Kampf noch mal anschauen möchte, findet das Video auf YouTube (einfach auf das Bild klicken). Foto: sesboxing/Gercke

Von Gaby Westerkamp

Garrel/Magdeburg
„Ich bin platt”, grinste Roman Fress im Sieger-Interview mit der ARD-Reporterin – mit nachdenklichem Blick rüber zu seinem Coach Robert Stieglitz, der ihm in der Kabine wohl noch ein paar deutliche Worte zu sagen hatte. Denn bei aller Freude über den erfolgreich verteidigten WBO-Interconti-Titel war nach zehn hart umkämpften Runden auch klar: Auf dem Weg nach ganz oben hat der 27-jährige Cruisergewichtler aus Garrel bei allem Talent und starker Physis auch noch einiges zu lernen.

Luca D’Ortenzi erwies sich als der erwartet unbequeme und markante Herausforderer. Das Schmunzeln vieler Zuschauer über seine kuriose Fransenhose verlor sich schon bald. Denn der 33-Jährige überzeugte mit entschlossenem Vorwärtsgang und fleißigen Fäusten. Von der Ringmitte aus ließ er den Titelverteidiger laufen, mit feiner Antenne für die Angriffe seines Gegners, die er oft schon im Ansatz abkonterte. In der vierten Runde landete Fress sogar einmal kurz auf dem Hosenboden – das war allerdings keine Schlagwirkung, er war am wohl feuchten Mattenrand ausgerutscht. Aber nach diesen ersten vier Runden durfte man den Italiener vorne sehen.

Coach Stieglitz forderte wiederholt den konsequenten Jap-Einsatz. Die Führhand von Fress kam zunächst zu selten und dann nicht hart genug. Auch den nur sporadisch eingesetzten Aufwärtshaken – entscheidende „Waffe” beim KO-Sieg gegen Kouaouch – fehlte hier die letzte Explosivität. Bis dahin.  In der zweiten Hälfte des Kampfes fing sich der mental stabile Garreler zusehends. Er blieb auf schnellen Beinen wendig, wachsam und reaktionsschnell, wirkte nun aber weniger hektisch als in der Anfangsphase. Roman hielt Fitness und Konzentration hoch, während D’Ortenzi sichtlich schwerer atmete, die Deckung immer wieder fallen ließ. Da konnte er ruhig mit Grimassen und Gesten Überlegenheit demonstrieren: Die war ab Runde 6 nicht mehr da. Fress riskierte auch mal den offenen Schlagabtausch und brachte einige wuchtige Hände ins Ziel, kassierte selbst aber wenig.

Roman Fress feierte am späten Samstagabend seine erfolgreiche Titelverteidigung. Sein Jubel fiel etwas verhaltener aus als nach seinem Interconti-Sieg Anfang Juni. Denn die Nummer gegen D'Ortenzi war echt knapp. Foto: sesboxing/Gercke

Es blieb bis zum Schluss ein enges Match, das über die Punktzettel entschieden wurde. Alle drei Richter sahen Roman Fress vorn, wobei allerdings Ingo Barrabas mit seiner 95:94-Wertung sicher näher an der Wahrheit lag, als die beiden Kollegen mit jeweils doch zu hoch gegriffenen 97:92.

Roman Fress feierte mit seiner Frau Lena, seinem Team und dem Publikum seinen 14. Profi-Sieg und bleibt damit ungeschlagen. Und dass er auch solche marschierenden Puncher die D’Ortenzi einfangen und in den späteren Runden selbst noch deutlich zulegen kann, hat ihn sicher für weitere hochkarätige Matches interessant gemacht. Genau die braucht er, wenn er irgendwann mal ganz oben in der WM-Etage anklopfen will.

Unser Vorbericht zum Fress-Kampf in Magdeburg:

west Cloppenburg/Magdeburg
Punktlandung bei der offiziellen Gewichtskontrolle: Mit 90,7 kg brachte Roman Fress gestern exakt das Cruiser-Limit auf die Waage. Dafür hatte der Garreler eine Woche vorher noch mehr als drei Kilo innerhalb weniger Tage „abkochen“ müssen. Haben Punch und Kondition darunter gelitten? „Kein Problem”, grinst der 27-jährige Profiboxer, der bei Ex-Weltmeister Robert Stieglitz trainiert und sich optimal auf das Match heute Abend in Magdeburg vorbereitet hat. Hier verteidigt er seinen WBO Interconti-Titel, den er sich im Juni mit einem beeindruckenden KO-Sieg gegen den Belgier Kamel Kouaouch erobert hatte (wir berichteten).

Heute Abend trifft er in der Getec-Arena vor bis zu 5000 Fans auf den Italiener Luca D’Ortenzi. Ein paar Zentimeter kleiner als Roman, ein paar Pfund leichter und sechs Jahre älter, dazu mit dem Nickname „Gentleman” angekündigt. Klingt charmanter, als die Begegnung im Ring tatsächlich ausfallen dürfte. Denn der 33-Jährige ist ein erfahrener und erfolgreicher Fighter, der fast alle seiner 15 Profikämpfe gewonnen hat und dabei vier Gegner mit KO auf die Bretter schickte. Nur einmal unterlag er seinem Landsmann Salvatore Erittu nach Punkten, und das ist mehr als drei Jahre her – kein Mann, den man unterschätzen sollte.

Roman Fress (Links) und sein Herausforderer Luca D'Ortenzi am Freitagnachmittag beim offiziellen Wiegen. Foto: Team SES Boxing/Gercke

Der auf 10 Runden angesetzte Titelkampf ist der zweitletzte des Abends. Nach ihm folgt noch der Headliner mit der WM-Revanche von Weltmeister Robin Krasniqi gegen Dominic Bösel, dem er vor einem Jahr den IBO-Titel im Halbschwergewicht abgenommen hatte. Auch die heimischen Box-Fans können sich die Kämpfe anschauen. Die ARD zeigt die Hauptkämpfe im Livestream online auf www.sportschau.de (oder einfach auf das Foto oben klicken). Los geht’s ab 20.50 Uhr mit dem Duell Kadiru vs. Estenfelder um die Deutsche Meisterschaft im Schwergewicht, danach folgen die beiden internationalen Fights.